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Konfliktloesung
Ein Konflikt verbindet zwei oder mehr Menschen zu einer nicht unbedingt gewollten Gemeinschaft, deren Aufgabe oder Chance darin liegt, ein gemeinsames Problem zu lösen.
Jede der beispielsweise zwei Personen wünscht sich im allgemeinen Einfluss oder Macht, um den Konflikt im eigenen Sinne zu lösen.
Die Macht über das Verhalten des Konflikt-Gegenübers ist geringer, als die Macht über das eigene Verhalten.
Diese Banale Sichtweise erschließt dem eigenverantwortlich Handelnden effiziente Wege zur Lösung des Konfliktes. Sie schließt eine passive Erwartungshaltung aus und impliziert eine Lösungssuche, die es dem Konflikt-Gegenüber erleichtert, mitzugehen.
Der Weg der Macht
Es mag Konfliktfälle geben, in denen eine Person nicht zwingend auf die Kooperation anderer Personen angewiesen ist, weil alle Handlungsfreiheiten und Machtmittel in deren Hand liegen und vom Konflikt-Gegenüber nicht entscheidend beeinflusst werden können. Amerikanische Spielfilme erzählen eine Menge von "guten Helden", die nach dieser Situation streben und diese dann ausnützen, indem sie den "bösen Helden" mit Macht von seinem Tun abhalten (Verhandeln hätte vermutlich keinen Sinn, denn aufgrund seiner bösen Natur würde er ohnehin nicht einlenken).
Einem durch den Sieg derart gedemütigten "bösen Helden" (in der Annahme, dass der andere nun mal der Böse sein muss) will man dann aber nicht mehr bei Nacht in einer unbeleuchteten Straße begegnen. Daher enden diese Filme sehr oft auch mit dem Tod des "bösen Helden". Dieser "bequeme" Weg setzt aber voraus, dass zuvor eine Notwehrsituation herbeigeführt werden muss, oder dass der "böse Held" dazu gebracht werden muss, sich durch sein "böses Verhalten" selbst in eine tödliche Situation zu bringen, da sonst der "gute Held" in das Lager der "Bösen" wechseln müsste. Und das wäre ja unbefriedigend, wenn ausgerechnet "der Böse" überleben würde. Genau genommen ist es dem "guten Helden" auch verwehrt, diese Situation herbeizuführen, da er somit maßgeblich mitverantwortlich würde für den Tod des "bösen Helden". Um dieses Dilemma zu umgehen, wird in der Regel eine dritte Person benötigt, die die Situation herbeiführt: Das könnte beispielsweise der Autor einer solchen reichlich konstruierten Geschichte sein, der dann auch für das traurige, mörderische "Happy End" bürgt, egal, wie (un)realistisch der Weg dahin erscheinen mag. Leider wurde uns im "westlichen" Kulturkreis diese konstruierte Geschichte so häufig filmisch präsentiert, dass wir in Konfliktsituationen gerne solche "Lösungsstrategien" der Macht durchspielen.
Der Weg der Macht ist auch der Weg, auf dem die US-Amerikanische Führungsriege immer weitere Teile dieser Erde in Schutt und Asche legt und unzählige unschuldige Opfer in Kauf nimmt. Die Rechtfertigungen sind noch bei weitem schlechter konstruiert, als in den zahlreichen Gewaltfilmen aus "Scientologywood" (Hollywood). Sie folgen aber vom Prinzip her sehr genau den Rechtfertigungsmustern der Gewaltfilme und werden bei einfachen Gemütern mangels anderer Vorbilder akzeptiert.
Der Weg der Macht bindet sehr viele Kräfte zur fortgesetzten Kontrolle des Konflikt-Gegenübers. Selbst im Todesfall sieht sich der Mächtige in der Erinnerung, im Traum oder auf einer seelischen Ebene mit dem Konflikt-Gegenüber konfrontiert. Von einer Lösung des Konfliktes kann also keine Rede sein. Der Konflikt begleitet den "Mächtigen" weit in die Zukunft hinein, vielleicht sogar sein ganzes Leben. Lösung eines Konfliktes würde wünschenswerter Weise jedoch auch Loslösung bedeuten. Der Konflikt könnte im Falle der Lösung zur Vergangenheit werden, angenehm in Vergessenheit geraten oder sogar eine erfreuliche Erinnerung bleiben, eine kraftspendende Erinnerung.
Der gemeinsame Weg
In der Regel ist man für eine befriedigende Konfliktlösung auf die Kooperation des Konfliktgegenübers angewiesen. Bei den meisten Konflikten verbleibt man mit einem Konfliktgegenüber auch weiterhin in einem Kontakt und muss gegebenenfalls auch weitere Problemfälle gemeinsam lösen.
Recht zu bekommen oder sich durchgesetzt zu haben, ist ein süßes Gift, welches leicht über die bevorstehenden Probleme hinwegtäuscht und welches dem Konflikt-Gegenüber die Motivation zur weiteren gemeinsamen Problemlösung nimmt.
Für die Lösungsfindung ist es daher sehr vorteilhaft, wenn alle Betroffenen an der Lösungsfindung beteiligt werden können und wenn sie sich mit der dann gefundenen Lösung identifizieren oder diese zumindens mittragen können. Wie andere in Konflikten dazu gewonnen werden können, an einer gemeinsamen Lösungsfindung mitzuarbeiten, ist in dem Buch "Das Harvard-Konzept" von Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton (ISBN: 3593374404) hervorragend beschrieben. Dieses Buch ist mit das Beste, was es zu dem Thema zu lesen gibt.
Der Weg der Unterscheidung
("mein Garten - Dein Garten")
Viele Konflikte, insbesondere solche, welche mit Grenzverletzungen zu tun haben, lassen sich vielfach lösen oder auch vermeiden, wenn folgende Regel befolgt wird:
Der Fokus wird auf die Grenzüberschreitungen und Zuständigkeiten gesetzt. "Erwartungen" werden ausschließlich dahingehend ausgesprochen, dass das Gegenüber die eigenen Grenzen respektiert. Und auch dies nur, wenn die Grenze aus eigener Kraft nicht ohne weiteres zu schützen wäre. Diese Erwartung kann relativ leicht erfüllt werden, weil in unserer Kultur ein weitgehender Konsens besteht, dass gewisse Grenzen zu respektieren seien. Nur wenige Menschen beanspruchen, bildhaft ausgedrückt, ein Recht darauf, bei anderen Menschen ungefragt ein eingezäuntes Grundstück betreten zu dürfen.
Es mag beispielsweise schwer fallen, pubertierenden Jugendlichen vorzuschreiben, wann Sie nachts nach hause kommen müssen. Aber dass Sie ausgeliehene Dinge pfleglich behandeln sollen können sie leichter einsehen, weil das Gegenteil nichts mit Eigenständigkeit zutun hat. Sollte diese Einsicht nicht möglich sein, wäre nach dem Weg der Unterscheidung keine Energie darauf verwendet, die Jugendlichen von dieser Einstellung zu überzeugen, sondern die erneute Grenzverletzung vermieden werden, indem entsprechende Gegenstände vorerst nicht wieder verliehen würden.
Das gewählte Beispiel mit den heranwachsenden Erwachsenen verdeutlicht schon die Empfindlichkeit, die in vielen Fällen zum fehlenden Verständnis führt: Die meisten Menschen wollen nicht bevormundet werden, wenn Ihnen jemand erzählt, was "man" zu tun und zu lassen hätte. Grenzen überschritten zu haben, ist den meisten Menschen hingegen eher unangenehm.
Der Weg der Unterscheidung ist in vielen Fällen, in denen eine gemeinsame Lösung schwer fällt, ein Weg, mit dem niedrigsten Konfliktpotential befriedigende Lösungen zu finden.
Den Weg der Unterscheidung zu gehen bedeutet, nach Lösungen zu suchen, bei denen jeder Konfliktpartner die Handlungsmöglichkeiten sucht, die in seinem eigenen Einflussbereich liegen und die "im Garten des anderen" nicht aktiv wirken.
Der Natur dieses Lösungsweges nach ist die naheliegendste Lösung eines Konfliktes häufig eine Trennung. Um das "Kind nicht mit dem Bade auszuschütten" sollte dies jedoch nur der letzte Ausweg sein.
Beispielsweise in einer Beziehung gibt es oft Streit wegen Erwartungen der Zuwendung, Zärtlichkeit, Fürsorge, etc. an einen Partner. Die Haltung der Eigenverantwortlichkeit lässt solch eine Erwartung nicht zu. Sie hilft ja auch nicht weiter, weil der Partner kaum noch Anziehung verspüren kann, wenn Nähe das Entsprechen einer Erwartung bedeutet und nicht Lust.
Andersherum gibt es in der Haltung der Eigenverantwortlichkeit auch keinen Anspruch an eine Treue, die bedeuten würde, in einer leblosen Beziehung zu verharren und zu verdursten, ohne in irgendeiner Form Wärme und Erotik zu verspüren. Wenn das Bedürfnis nach Wärme in der Partnerschaft nicht zu befriedigen ist, dann empfiehlt es sich, die Wärme in anderen, vielleicht bestehenden Freundschaften zu suchen. Ich spreche nicht gleich von einem Seitensprung. Aber in der Beziehung ist Verärgerung das größte Gift für Erotik. Wer die Erwartung an den Partner loslassen kann, ohne dabei zu verdursten, weil er für sich selber sorgt, der kann auch wieder freundlich offen sein und den Partner durch seine Lebendigkeit erneut anziehen. Vielleicht gelingt dies auch nicht. In jedem Fall bleibt der Ärger erspart und das Bewusstsein der Freiheit erlaubt ja auch zu einem späteren Zeitpunkt den Partner zu verlassen, wenn man ohne Groll und in Lebendigkeit lange genug zusammen gelebt hat, um zu erkennen, dass die Erotik wirklich weg ist.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: ich will hier nicht den Rückzug und die Trennung predigen. Ich will nur sagen, dass das Bewusstsein der Eigenverantwortlichkeit und der Freiheit eine Gelassenheit und Freundlichkeit erlaubt, die einer möglichen Erotik zwischen zwei Partnern bei weitem mehr Chancen gibt, als die Haltung der Not im Bewusstsein der Abhängigkeit von der Zuwendung des Partners. Mit der Haltung der Abhängigkeit sind Er-Wartungen verbunden sein und man überfordert sich selber, wie den Partner.
Natürlich bedeutet jede Trennung auch Verletzung und Schaden. Der Weg der Unterscheidung bedeutet daher nicht gleich die Loslösung oder Trennung. Aber er bedeutet den ausschließlichen Fokus auf den eigenen Freiheiten und den Respekt vor den Grenzen des anderen. Alle Handlungsmöglichkeiten werden in diesem Areal gesucht. Anregungen an den Konfliktpartner sind immer Angebote, verbunden mit dem Respekt, wenn dieser nicht mitgeht.
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Letzte Änderung: 22.08.2010
Uli Sommer
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