Medien

Die Rede ist hier von Massenmedien, von Kommunikation, die überwiegend in einer Richtung geschieht, hin zu den Konsumenten der Medien.

Den meisten Menschen ist die Macht der Medien, Der Einfluss auf unser Weltbild und die Möglichkeiten zur Manipulation vermittels der Massenmedien zumindest ansatzweise bewusst. Manche große Kriege wurden gegenüber der Bevölkerung mit bewussten Falschinformationen gerechtfertigt. Und neben der Manipulation aus politischen Interessen sind wir mit der Werbeindustrie einer massiven Bedürfnisweckung zur Anbahnung von Geschäften ausgesetzt.

Während die Üblichen Reflektionen dieser Problematik zum Gegenstand haben, wie von den Empfängern der manipulierten Informationen zumindest die Folgen der Desinformation überwunden werden könnten oder wie eine Unempfindlichkeit gegenüber den Werbebotschaften erzielt werden könnte, will ich mich im Folgenden mit indirekten Folgen der medialen Situation befassen, die unser Selbstbewusstsein und unser Selbstverständnis betreffen:

Das Gefühl der Ohnmacht und die tatsächliche Macht.

Die Tatsache, dass wir mit den Informationen der Medien konfrontiert sind, ohne mit ihnen in Dialog treten zu können, gibt uns ein Gefühl der eigenen Ohnmacht. Dass die Medien sehr wohl auf Leserbriefe hören und dass einzelne Stimmen Gehör finden, wenn sie artikuliert werden, ist zwar eine Tatsache, es ist dennoch wenigen Menschen bewusst. Auch wenn wir uns der Möglichkeit von Falschinformationen bewusst sind, so So sehen wir uns mit einer übermächtigen Welt konfrontiert, in der einzelne Menschen wenig ausrichten können. Das ist historisch gesehen sicher nichts neues, denn einzelne normale Bürger hatten noch selten große Möglichkeiten zur Einflussnahme. Aber heute, wo wir in einer Demokratie leben, wäre ein Bewusstsein für unseren Einfluss hilfreich.
Hoffnungsvolle Beispiele demokratischer Kommunikation sind Internetforen und Blogs, in denen einfache Bürger ohne eine Medienmaschine im Hintergrund sich öffentlich zu Wor melden können und Gehör finden.

Auch die Werbung wirkt auf unser Selbstverständnis weit über die reine Werbebotschaft hinaus: Sie vermittelt nicht nur konsumorientierte Wertebilder. Sie bietet ein schräges Spiegelbild unserer Gesellschaft und es will vom Empfänger der täglichen Werbebotschaft erst einmal erkannt werden, dass die familiären und sozialen Situationen und Milieus, die uns präsentiert werden eben nicht ein Spiegelbild der Gesellschaft sind, sondern um einiges glatter sind, als diese. Da die Protagonisten der Werbung in den meisten Fällen nicht mit der eigenen sozialen Umgebung identifiziert werden, entsteht ein Gefühl, anders zu sein, als "die Gesellschaft", welche hinter den Bildern vermutet wird. Auch die überwältigende Blödheit vieler Werbespots vermittelt ein Gefühl der Isolation, da die meisten Empfänger vermuten, nur ein entsprechend blöder "Durchschnittsbürger" müsse das Ziel dieser Werbung sein. Die meisten Menschen halten sich (berechtigter Weise) für zu intelligent, um als Adressat für derartig dreiste Botschaften gemeint zu sein.

Diese subtilen Wirkungen der Medien sind in manchen Fällen vielleicht noch nicht einmal gewollt, sie bestehen aber dennoch. Und da diese Wirkungen nicht vom Wahrheitsgehalt der Informationen abhängen, können sie bereits durch ein Bewusstsein für ihr Vorhandensein und durch einen Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit deutlich gemildert werden. Dazu reicht das Lesen dieser Zeilen und ein paar offene Augen. für die tatsächlichen Mitbürger. Seien Sie sich darüber im klaren, dass nur wenige Leser auch Leserbriefe schreiben und dass aus diesem Grund ein einzelner Leserbrief ein hohes Gewicht hat. Sie können zwar nicht mit einem einzelnen Brief eine Redaktion steuern. Aber Wenn ein Misstand offensichtlich ist, können vielfach eine Hand voll Leserbriefen, die diesen monieren, den wahrheitsliebenden Kräften in einem Medium zur Oberhand verhelfen. Auch treffen sich Interessenten zu speziellen Themen immer wieder an Orten bei themenbezogenen Veranstaltungen, an denen diese Themen bearbeitet werden und sie treffen an diesen Orten häufig auch auf die Vertreter der einflussnehmenden Lobbyisten. Da an solchen Veranstaltungen viele interessierte Experten zusammentreffen, haben richtige und sachlich vorgebrachte Ansichten ein überproportional hohes Gewicht. Hiermit wären wir wieder beim Thema Demokratie und die Macht der "Eigenverantwortlichen Helden". Die einzelne Meinung zählt und die Wahrheit hat eine große Macht, wenn sie aktive Streiter an ihrer Seite hat, denn in der Regel lieben die Menschen die Wahrheit mehr, als den Irrtum, wenn sie die Wahrheit als solche erkennen können.

Die scheinbar notwendige Abwehr von Schönem

Auf den Werbeplakaten sind lachende Menschen abgebildet, schöne Landschaften oder andere Inhalte, die für sich betrachtet erfreulich wären. Aber wir wissen, dass diese schönen Bilder nicht für sich stehen, sondern dass sie für eine Botschaft stehen, die uns manipulieren will. Somit scheint uns die Wahl gegeben zu sein, uns in die Bilder zu versenken und die Botschaft zu schlucken oder alles in einem abzulehnen. Ich finde es eine sehr traurige Situation, durch eine Stadt zu gehen und beispielsweise als Mann von vielen Frauen von den Plakaten freundlich angelacht zu werden und mich dagegen wehren zu müssen, weil ich weiß, dass mir das Lachen nicht gilt, sondern dass es von einer mächtigen Firma gekauft wurde. Diese innere Zerrissenheit halte ich für eine traurige Folge der Werbung. Wenigstens sollten wir unseren inneren Impuls, sich den Bildern zuwenden zu wollen oder das Lachen genießen zu wollen nicht als schädlich betrachten. Die Freude an den Bildern sollten wir uns gönnen und versuchen, die Werbebotschaft als solche im Zweifel abzulehnen, aber nicht die Empfindung, die durch die Bilder vermittelt wird.

Wertebilder in den Medien

Wissen Sie, wie viele Schauspieler in Hollywood Mitglieder von Scientology sind? Wenn wir nicht annehmen, dass die Verantwortlichen der Filmindustrie völlig gleichgültig gegenüber den öffentlichen Selbstdarstellungen eines Tom Cruise sind, müssen wir daraus schließen, dass Scientology einen sehr großen Einfluss auf die Wichtigste Bildermaschine der Welt hat. Eine gewagte These?

Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, wie richtig diese These ist. Sehen wir uns doch einfach die vermittelten Wertebilder an. Die sind aussagekräftig genug.
Wie viele Filme aus Hollywood (und aus anderen Filmschmieden) arbeiten 80 Minuten darauf hin, dass in den letzten 10 Minuten des Finales der "gute Held" dem "bösen Helden" in einer sehr konstruierten Notwehrsituation den Gar aus machen kann. "Das Gute" besiegt nur zum Schein "Das Böse", denn die Mittel des Siegs sind alles andere als gut. Eine Heilung, eine Versöhnung, selbst eine Wiedergutmachung oder Linderung der Schädigung der Opfer ist nur seltenst Gegenstand der Filme.
Gewaltanwendung könnte auch das Thema anspruchsvoller Filme sein, wenn die Gewalt und deren Folgen kritisch betrachtet und aufgearbeitet würden und wenn die Perspektive des Betrachters Empathie oder ein Verstehen für Täter und Opfer bereitstellen würde. In den üblichen Action-Filmen existiert jedoch nur eine Hauchdünne Notwehr-Ethik, die es in sehr konstruierten Situationen den "guten Helden" erlaubt, alle Register der Gewalt zu ziehen. Dass die guten Helden mit entsprechenden Waffen und einer guten Kampfausbildung exzellent auf die eigentlich recht unwahrscheinliche Situation vorbereitet sind, scheint kein Zufall, denn in der Filmwelt sind derartige Notsituationen die Regel.
In der Welt der Politik bedienen sich die Militärminister und Landesfürsten der selben Logik, wenn es um Aufrüstung und "humanitäre Einsätze geht" Wer viele der Gewaltfilme genau studiert, erkennt, dass selbst in diesen Filmen vorausschauende Helden die eskalierende Situation am Ende hätten vermeiden können und ohne Gewalt lösen. Auch in der Realität der Konflikte dieser Erde liegen die Ursachen in Waffenlieferungen, Provokationen und Unterstützungen von Gewaltherrschern, die weit vor dem Ausbruch der Konflikte liegen. Wie oft haben die USA Herrscher militärisch beseitigt, die zuvor durch ihren Einfluss zur Macht kamen? Wer an der Vermeidung oder Lösung der Konflikte ein Interesse hat, findet viele effizientere, wirtschaftlicher und vor allem menschlichere Mittel. Darauf sollte unser Streben gerichtet sein. Diese Inhalte werden jedoch in den Massenmedien kaum vermittelt.

Kino-Filme werden im allgemeinen Sprachgebrauch als "Unterhaltung" abgetan, womit implizit jeglicher Einfluss auf unsere Psyche bestritten wird, weil vernünftige Menschen eine Klare Trennlinie zwischen "Unterhaltungsschund" und Realität oder eigenem Handeln ziehen zu können vermeinen. Zumindest behaupten das die meisten Krimi-Leser und Action-Film-Betrachter von sich. Aber im Ernst: Wenn Sie einen Actionfilm gesehen haben - gehen Sie dann nach hause und denken nicht mehr über die Szenen, die Konflikte und die Lösungsstrategien nach, auch in den nächsten Tagen? Glauben Sie, die vorgelebten Lösungsmuster würden Ihre persönlichen Lösungsstrategien in Konflikten nicht beeinflussen? Meinen Sie, die vorgespielte siegreiche Arroganz der Helden würde nicht auf Sie abfärben?
Wir begegnen jeder Situation mit unserem Erfahrungsschatz an Erlebnissen und Gedanken, die zu der jeweiligen Situation passen. Dazu gehören zwingend auch die starken Bilder aus Filmen, die sich in unseren Gehirnen festgesetzt haben.

Die Logik der Gewalt, die uns viele Filmhelden vorleben erleichtert den Politikern ihre Politik der militärischen Einmischung enorm, da nahezu jeder Bürger mit dieser Logik aus diversen Filmen vertraut ist. Und selbst wenn er die Logik nicht übernommen hat, so hat er aufgrund der Übermacht der gewalttätigen Bilder diese Logik als eine allgemeingültige Logik der Massen akzeptiert und davor kapituliert. Die ist die Macht der Massenmedien, die uns annehmen lässt, dass Ihr Verständniss von der Welt auch das Verständnis der Masse wäre.

Noch ein Wort zur Frage, warum Gewaltfilme so großen Erfolg haben: Zunächst bietet sich natürlich der Schluss an, die Massen liebten die Gewalt. Die Gründe für den Erfolg der Gewaltfilme liegen jedoch vermutlich völlig anders: Der Mensch will immer lernen. Besonderes Augenmerk liegt auf Lerninhalten, die für die Bewältigung von existentiellen Gefahren bedeutsam sind und das Überleben sichern können.
Genau diese Inhalte vermitteln Gewaltfilme, indem sie sich mit existentiellen Gefahren (zum Schein) auseinandersetzten. Tragischerweise bieten sie höchst gefährliche Lösungsstrategien an, die die Gefahr in der Realität eher steigern, als senken würden. Aber das Anebot, sich mit existenzbedrohenden Situationen zu beschäftigen erklärt die Beliebtheit der Gewaltfilme sehr plausibel, ohne eine Liebe zur Gewalt bei den Betrachtern unterstellen zu müssen. Ein ähnliches Phänomen ist der zwangsläufige Reflex, das Auge dahin auszurichten, wo sich etwas bewegt. Haben Sie schon einmal erlebt, wie schwer es ist, vor einem Bildschirm hinter einem Schaufenster seine Blicke zu entziehen, selbst, wenn man kein Interesse an den Botschaften hat? Die Bewegung impliziert Bedeutung, der sich das Unterbewusstsein zuwenden will.

Der Austritt aus der Isolation

Wir haben gesehen, dass viele der Denkstrukturen aus den Medien schädliche politische und soziologische Auswirkungen haben. Wir haben weiterhin gesehen, dass die Bilder der Massenmedien nicht gleichzeitig das Empfinden der Massen darstellen.
Daraus lässt sich schließen, dass alleine das Bewusstsein für die Verbundenheit mit den Mitbürgern außerhalb der Bilder aus den Medien einen Durchbruch aus der Isolation schaffen kann. Weiterhin wird es möglich sein, die Massen auch für friedliche Botschaften zu gewinnen, denn die Menschen sind keineswegs Freunde der Gewalt und viel offener für den Frieden, als es die gewaltigen Bilder ahnen lassen, die von den Massen aus Mangel an Alternativen oder wegen psychologischer Reflexe konsumiert werden.

Ich denke, die obigen Überlegungen legen auch eine Kultur der gezielten Verweigerung von schädlichen Filmen und anderen medialen Inhalten nahe. Da die Qualität der Fernsehfilme und Kinofilme kontinuierlich sinkt, gibt es auch gerade in gebildeten Kreisen eine wachsende Zahl von Menschen, die keinen Fernseher mehr haben und die nur noch selten ins Kino gehen. In wachsendem Maße werden die visuellen Massenmedien zu Produkten, die nur noch an eine ungebildete Klasse von Verlierern der Gesellschaft verkauft werden können.

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Letzte Änderung: 22.08.2010
Ulrich Sommer